Genauso wie Bonnie und Clyde oder Max und Moritz gehören auch der Apfel und Südtirol zu den unzertrennlichen Kombis. Und doch hat man hierzulande das volle Potential des Produktes noch nicht ausgeschöpft. Das hat sich zumindest Martin Pichler gedacht. Der junge Apfelbauer und Juniorchef vom Apfelhotel Torgglerhof in Saltaus ist überzeugt, dass nicht nur der Südtiroler Traube eine eigene Geschichte gebührt, sondern endlich auch dem Südtiroler Apfel. Die findet er in der kleinen Manufaktur in der Mitte des Passeiertals. Dort veredelt Martin Pichler einen Teil seiner Äpfel unter dem Namen Anderdog nämlich zu fruchtig-frischem Cider. Auf Wunsch ermöglichen Martin und seine Familie auch gerne einen Einblick in die Produktion und den Cider-Keller. Ein Anruf genügt: 0473 645433 ➤ Südtirol ist bekannt für seine Äpfel, nicht aber für seinen Cider. Woher rührt das? In Südtirol wurde bereits im 19. Jahrhundert Apfelwein hergestellt. Mit Wasser gespritzt hat man diesen beim Heu-Arbeiten als erfrischendes, alkoholisches Getränk getrunken. Das erzählt mein Vater heute noch. Richtig bekannt wurde der Cider aber nie. Schließlich konnte man mit der Vergärung von Tafeltrauben einen höheren Alkoholgehalt erreichen. Den endgültigen Genickbruch hat schließlich aber Mussolini dem Cider hierzulande verpasst. Um die italienische Weinwirtschaft zu fördern, hat er zu seiner Zeit nämlich alle alkoholischen Getränke unter sechs Volumenprozent verboten.
➤ Auch wenn ihn hierzulande nur die wenigsten kennen, hat der Cider doch eine lange Geschichte. Woher kommt das Apfelgetränk denn ursprünglich? Die Heimat vom Cider ist England. Dort war er das Getränk der armen Leute, die sich mit dem leichten Alkoholgehalt gerne ein wenig beduselt haben. Die Äpfel waren zum Verzehr kaum genießbar, also hat man sie vergoren und zu Alkohol verarbeitet. Von Großbritannien aus hat sich der Cider auf die ganze Welt verteilt und tritt heutzutage lokal in allen möglichen Varianten auf. Seit ein paar Jahren auch in Südtirol.
➤ Auch du verarbeitest einen Teil der Äpfel in der Manufaktur auf deinem Hof zu Cider. Wie kam es dazu? Wenn man bedenkt, dass ich als Apfelbauer mit 18 Jahren zum ersten Mal von Apfelcider gehört habe, ist das schon verblüffend. Damals habe ich einfach nicht verstanden, warum weltweit Apfelcider getrunken wird und bei uns im Apfelland Südtirol nicht. Das hat mich neugierig gemacht. Die ersten Versuche in unserem Keller haben mich geschmacklich sofort überzeugt. Außerdem wusste ich, dass wir mit unserer Apfelqualität in Südtirol weltweit in der oberen Liga mitspielen. Die Zeichen für ein gutes Produkt standen also schon mal gut, denn: Gute Apfelqualität gibt guten Cider. Und so war es schlussendlich auch.
Mittlerweile produziert Martin nicht nur den hofeigenen Cider Anderdog, sondern hat mit sechs weiteren Südtiroler Cider-Produzenten den Verein Südtiroler Cider gegründet. Mit dem Ziel das Getränk hierzulande bekannter zu machen, tauschen sich die jungen Produzenten ihr Wissen und ihre Erfahrung aus. Vom Champagner-ähnlichen Cider bis zum spritzigen Durstlöscher produzieren sie eine breite Palette an Apfelweinen in Südtirol.
➤ Vergorener Apfelsaft, Apfelwein, Sekt – Was ist Cidre und was Cider? Und was unterscheidet ihn von den restlichen Sprudelgetränken, die man so kennt? Cider ist der englische und damit auch internationale Ausdruck für den Apfelwein. Hier gibt es stille Cider, die eher dem Wein ähneln und sprudelige, die eher dem Champagner oder Sekt ähneln. In Frankreich hingegen nennt man den Apfelwein Cidre. In der Normandie hat er nicht nur große Tradition, sondern auch einen guten Ruf. Er wird nämlich nach der Champagner-Methode hergestellt und hat damit auch eine hohe Qualität.
➤ Nehmen wir an, ich habe noch nie einen getrunken. Wie schmeckt richtig guter Cider? Leicht, frisch, fruchtig und ein bisschen säuerlich. Für mich schmeckt er am besten an einem heißen Sommertag, wenn man sich erfrischen will und ein wenig auch den Alkohol spüren (lacht).
➤ Mit 112 von 120 Punkten hast du 2019 auf der CiderWorld in Frankfurt abgeräumt. 2020 rieselte es wieder Gold. Dein Erfolgsgeheimnis? Die ganzen Cider in England werden zum Beispiel aus Fruchtsaftkonzentrat hergestellt. Dort ist der Markt nämlich größer als der Anbau. Außerdem ist das Klima nicht das richtige, um einen qualitativ hochwertigen Apfel zu produzieren. Das sieht bei uns anders aus. Wir haben massenweise Äpfel in Südtirol und produzieren in hoher Qualität. Das ist die Grundvoraussetzung für ein gutes Endprodukt.
➤ Welche Schritte passieren, ehe der Apfel als Anderdog in der Flasche blubbert? Wir pflücken unsere Äpfel per Hand und pressen sie. Dann werden sie in einem Tank vorgeklärt und schließlich vergoren. Während der Gärung entsteht Kohlenstoffdioxid, das ich im Fass halten will. Deshalb schließe ich es luftdicht ab. So baut sich Druck auf. Hat dieser 2,5 bar erreicht, ist der Zucker aufgebraucht und die Hefe stirbt langsam ab. Dann wird Bentonit, gemahlene Tonerde, dazugegeben, das die Trubstoffe bindet und am Fassboden wieder abgezogen wird. Am Ende presse ich frischen Apfelsaft, kläre ihn und verschneide den Cider damit. So bringe ich einen leichten Restzucker in das Produkt. Der Anderdog wird am Ende unter Druck abgefüllt und leicht pasteurisiert.
➤ Wo hast du dir die skills geholt, um einen Goldmedaillengewinner wie den Anderdog zu produzieren? Ich habe ein paar Bücher gelesen, ein paar Kurse gemacht und ein paar gute Freunde gesucht, denen ich Löcher in den Bauch gefragt habe (lacht).
➤ Und was magst du am Prozess der Veredelung am liebsten? Im Gegensatz zu den Weinbauern haben wir als Obstbauern immer einen schlechten Ruf genossen. Das liegt daran, dass die Weinbauern ihr Produkt seit jeher veredeln und anschließend einfach darüber sprechen und es den Leuten nahebringen konnten. Deshalb stehen wir immer als die Bösen mit dem Pestizidfass da. Mit dem Cider ist das bei mir jetzt anders. Ich veredle mein Produkt und kann darüber reden, beim Kunden Emotionen wecken und kriege Feedback. Das macht wahnsinnig Spaß.
Dein Cider Anderdog in drei Worten:
Erfrischend, leicht, fruchtig und süffig.
➤ Auf eurem Torgglerhof in Saltaus gibt es ja die verrücktesten Cocktail-Variationen mit deinem Anderdog. Wie und wozu trinkst du ihn am liebsten? Normalerweise bin ich kein Gin Fan, aber der Gin Dog, wie wir ihn mixen, ist echt ganz geil.
Martins Tipp für die beste Cider-Kombi:
- 4 cl Gin
- 1,5 cl Holundersirup
- ein bisschen Rohrzucker
- 3/4 Limette
Das ganze Mischen und mit Cider zu einem süffigen Sommergetränk auffüllen. Prost!