„Badegang“ auf 2.500 Metern

Eine Wanderung zu den wohl schönsten Gebirgsseen im Alpenraum

Wenn im Tal die Temperaturen die 30-Grad-Marke hinter sich lassen und sich Schwimmbäder in Badewannen verwandeln, hilft nur eines: die Flucht nach oben;  eine kurze Abkühlung in einem (oder mehreren) der Spronser Seen im Naturpark Texelgruppe. Körper und Geist werden es Ihnen danken - mehr als einen heißen Sommertag lang.

Eines vorweg: Die Spronser Seen sind für die schnelle Abkühlung zwischendurch nicht geeignet. Man kann sie nicht einfach mit dem Auto anfahren, nicht einfach „Plansch – und weg“. Man muss schon etwas dafür tun, um in den Genuss des glasklaren Gebirgswassers zu kommen.  Falls Sie jetzt an Leistung denken, wie sie von uns allen täglich im Job erwartet wird, kann ich Sie beruhigen: Erstens tun Sie es allein für sich, zweitens fühlt es sich nicht nach Leistung an. Die Belohnung gibt´s trotzdem.

Im Bild der Pfitschersee, der Kasersee und die Oberkaser Alm.

Es gibt viele Wege, die zu den Spronser Seen führen. Wir entscheiden uns an diesem Tag für den Start in Vellau, einer sonnig gelegenen Fraktion von Algund, inmitten des Meraner Landes. Dort gibt es ein paar rustikale Bauernhäuser, Gasthöfe, Frühstückspensionen und das beschauliche Kirchlein zur Hl. Dreifaltigkeit. Nur wenige Meter neben dem Kirchlein beginnt unser Aufstieg in Richtung Leiteralm. Wir folgen dem Weg Nr. 22 und wandern größtenteils durch Wälder und Wiesen nach oben. Nach rund 45 Minuten haben wir unser erstes Etappenziel erreicht. Auf der Terasse der Leiter Alm genießen wir einen Café Macchiato, blicken hinunter nach Meran und lassen uns küssen – von den ersten Strahlen der Morgensonne.

Es soll wieder heiß werden heute – 36 Grad und mehr. Wir halten uns also nur kurz auf, um der brütenden Mittagshitze  im Aufstieg zu entkommen. An der Leiter Alm halten wir uns links, gelangen über eine Wiese in den Wald und passieren dann ein Holzschild mit der Beschriftung „Meraner Höhenweg“. Es markiert den Beginn des zweifellos anstrengendsten Abschnitts der Wanderung zu den Spronser Seen. An der ersten Weggabelung nach wenigen Minuten biegen wir in Richtung Taufenscharte/Kuhalm ab. Jetzt geht es rund eine Stunde lang steil bergauf. Das letzte Teilstück des Weges oberhalb der Baumgrenze ist serpentinenförmig angelegt, was den Aufstieg  mit herkömmlichen Wanderschuhen problemlos ermöglicht.  Oben angekommen, freuen wir uns über das bisher Erreichte. 1100 Höhenmeter haben wir ab Vellau zurückgelegt. Überrascht von unserer physischen Verfassung, werden wir auf der Taufenscharte (2.230 m) mit einem atemberaubenden Rundblick auf die faszinierende Bergwelt der Texelgruppe und – der perfekten Fernsicht sei Dank – die Dolomiten belohnt.

Ein atemberaubender Blick auf die kontrastreiche Landschaft um die Spronser Seenplatte.

Jetzt führt der Weg flach bis mäßig ansteigend weiter in Richtung Spronser Seen. Nach rund 40 Minuten erreichen wir den ersten und zugleich südlichsten der größten und schönsten Seenplatte Südtirols: den Pfitschersee. Unmittelbar dahinter liegt der Kasersee und die Oberkaser Alm, eine beliebte Einkehrstätte. Von dort aus geht es rund 30 Minuten nach oben zum Grünsee, dem Ziel unserer heutigen Tour – unserem eiszeitlich entstandenen „Freibad“ im Hochgebirge. Die Ruhe und die landschaftlichen Kontraste sind überwältigend:  Zwischen saftig grünen Wiesen und karger Gebirgsvegetation, zwischen erfrischendem Nass und in der Hitze ausharrenden Schneefeldern, die uns von oben dabei zusehen, wie wir uns der Faszination der Natur hingeben. Wir fühlen, wie wir uns ihrem Rhythmus fügen. Wohlwollend und zwanglos, wie es keinem Entschleunigungs-Seminar je gelingen wird.

Nur noch wenige Meter trennen uns von der Bockerhütte.

Wer möchte und noch etwas Luft hat, kann nun Schritt für Schritt alle weiteren Spronser Seen erkunden. Auf Glimmerschiefer steigen wir bergab in Richtung  Oberkaseralm, an Kuhherden und der Unterkaser Alm vorbei zur Bockerhütte. Dort essen wir etwas Zünftiges und füllen unsere Flüssigkeits- und Mineralienspeicher auf, um gerüstet zu sein für den finalen Teil der Wanderung. Nach fünf Stunden reiner Gehzeit erreichen wir die Bergstation der Seilbahn Hochmuth, oberhalb von Dorf Tirol. Von dort aus ist ein letztes Mal Konzentration gefragt, über einzelne, leicht ausgesetzte Stellen gehen wir dem Felsenweg entlang zur Leiteralm zurück. Wir beenden unsere lohnende, fünfeinhalb-stündige Wanderung mit einer Fahrt mit dem legendären Korblift nach Vellau. Die grünen Gondeln bestehen aus Gittermetall und können maximal zwei Personen aufnehmen. Wir genießen noch einmal den Blick aufs Meraner Land und lassen unseren „Hochgebirgs-Badegang“ Revue passieren, der bestimmt nicht unser letzter gewesen sein dürfte.

Wissenswertes über die Spronser Seen:

Die Spronser Seen bilden die bedeutendste Bergseengruppe in Südtirol. Sie liegen im Naturpark Texelgruppe auf einer Höhe von bis zu 2.500 Metern Meereshöhe. Der größte der zehn Seen ist der Langsee, der rund einen Kilometer lang und 300 Meter breit ist. Die Spronser Seen sind nicht nur ein attraktives Wanderziel, sie versorgen auch einen Großteil der Stadt Meran samt Umgebung mit Wasser.

Bildrechte Header: © TV Algund/Daniela Prossliner
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Ich schreibe seit ich denken kann: Artikel, Gedichte (was mir besonders Spaß macht), Romane (die ich bereits zweimal umgeschrieben habe), Briefe (meine Ex-Freunde freuen sich immer noch). Besondere Schwächen? Die Weisheit der Bücher und die Kraft der Pferde, der Geruch von Kaffee am Morgen und der Blick auf die Berge bei Sonnenuntergang.

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