Bäuerliche Baukultur in Südtirol

Die traditionelle Hofarchitektur in Südtirol

Der Heimatpflegeverband Südtirol ist ein Dachverband, dessen Ziel der Erhalt der Südtiroler Natur- und Kulturlandschaft ist. Dazu gehört unter anderem der Erhalt der traditionellen Gebäude. Wir hatten die Möglichkeit, uns mit der im Verband tätigen Architektin Marlene Roner zu unterhalten und ihr einige Fragen rund um die bäuerliche Architektur in Südtirol zu stellen. Viel Spaß beim Lesen!

BS: Was ist der Heimatpflegeverband Südtirol und wofür setzt er sich ein? Frau Roner, was ist Ihre Tätigkeit im Heimatpflegeverband Südtirol?
MR: Der Heimatpflegeverband Südtirol ist der Dachverband für 36 Heimatpflege- und Kulturvereine in ganz Südtirol. Wir setzen uns für die gewachsene Kultur- und Naturlandschaft, für qualitätsvolle historische und moderne Baukultur und einzigartige Ensembles, für Kleindenkmäler und traditionelle Kulturtechniken, für gelebtes Brauchtum, den Erhalt der Tracht und die Mundart und für Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften ein.
Als Architektin berate ich den Heimatpflegeverband Südtirol zu Fragen der Baukultur, der Landschaft und Landschaftsgestaltung, zu Raumplanung und Raumordnung, Mobilitätsplanung und vielen anderen Themen.

BS: Welche regionalen Unterschiede der bäuerlichen Architektur gibt es in Südtirol?
MR: Nicht nur der Obst- und Weinbau sowie die Bergbauernhöfe weisen Unterschiede auf, sondern auch die Materialeigenschaften und klimatischen Anforderungen variieren je nach Bezirk, Tal und Höhenlage. Bauernhöfe im Dorf- oder städtischen Gebiet haben andere Merkmale im Vergleich zu isolierten Höfen, die weiter entfernt von Siedlungen liegen. In historischer Hinsicht spielt das verwendete Baumaterial eine entscheidende Rolle, ebenso wie künstlerische Einflüsse, die sich im Laufe der Epochen in verschiedenen Regionen entwickelt oder verfestigt haben. Handwerkskunst, Armut oder Reichtum in unterschiedlichen Gebieten oder Zonen haben ebenfalls Einfluss genommen, genauso wie die klimatischen Bedingungen und die Lage eines Hofes, sei es an einem Nord- oder Südhang, an einem Bachufer oder in der Nähe von Wäldern, Obstgärten, Weinbergen, Kastanienhainen oder Feldern. Leider sind heute die charakteristischen Höfe in den verschiedenen Bezirken und Tälern seltener zu erkennen.

BS: Welche sind Ihre Lieblingselemente der bäuerlichen Architektur?
MR: Das faszinierendste und anziehendste Element ist zweifellos der Ofen, sei es ein Kachelofen oder ein gemauerter Ofen. In dem sogenannten "Feuerhaus" fungiert der Ofen als das Herzstück des Gebäudes, sei es in der Stube oder einem beheizten Raum. Oft wurde er von außerhalb befeuert, und in Gebäuden von höherem Stand finden sich kunstvoll verzierte Kachelöfen, während bescheidenere Räume oft einfache gemauerte Öfen mit holzgetäfelten Stuben beherbergen. Selbst in Zeiten des Energiesparens stellen diese Öfen immer noch ideale Heizsysteme dar und sind gleichzeitig kunstvolle Elemente, die zur kulturellen Identität eines Hofes beitragen.

BS: Zu jedem Wohnhaus gibt es auch noch landwirtschaftliche Gebäude, welche gibt es und können Sie auf die typischen Merkmale eingehen?
MR: Der Stadel oder der Stall dienen nicht nur praktischen Zwecken, wie der Lagerung von Heu, Stroh, Getreide oder der Unterbringung von Nutztieren, sei es freistehend neben dem Feuerhaus oder an- bzw. zusammengebaut. Sie bilden vielmehr ein besonderes Ensemble, das eine einzigartige Spannung zwischen notwendigen wirtschaftlichen Funktionen und der ästhetischen Ausgewogenheit von Holz- und Mauerwerkskonstruktionen aufweist. Dieses Spannungsverhältnis ist ein charakteristisches Merkmal, das die kulturelle und architektonische Identität dieser Höfe ausmacht.

BS: Welche Baumaterialen wurden für die Bauernhöfe verwendet?
MR: Die Bauernhöfe wurden aus einer breiten Palette nachhaltiger Materialien errichtet, die oft lokal verfügbar waren. Dies schloss ein:

  • Vor Ort abgebauter Naturstein: Vorhandener Naturstein wurde oft in der unmittelbaren Umgebung abgebaut und für die Konstruktion verwendet.
  • Kalk und Sand: Kalk und Sand wurden zur Herstellung von Mörtel und Putz verwendet.
  • Vor Ort geschlagenes Holz: Holz war ein wesentliches Baumaterial und wurde aus den nahegelegenen Wäldern bezogen, was kurze Transportwege ermöglichte. Holz wurde meistens unbehandelt verwendet, sei es als Vollholz, Bretter, gesägtes oder gespaltenes Holz (Schindeln).
    Im konstruktiven Bereich kam das Holz für Holzdecken, Dachstühle und Dächer zum Einsatz. Ein besonderes Anwendungsgebiet war und ist der Blockbau, das heißt die Konstruktion von Gebäuden durch das Stapeln von horizontalen Holzbalken, die Eckverbindungen bilden.
  • Lehm: Lehm wurde häufig für Putz verwendet und manchmal mit Bestandteilen wie Topfen und Ei gemischt, um ihn zu binden.
  • Ziegel: In den Tallagen wurden Ziegel als Baumaterial eingesetzt.
    Diese Vielfalt an Materialien spiegelt die Verfügbarkeit und die geschickte Nutzung der natürlichen Ressourcen wider, um Gebäude zu schaffen, die den örtlichen klimatischen Bedingungen entsprachen und eine hohe Nachhaltigkeit aufwiesen.

BS: Was für eine Bedeutung haben diese Höfe für die Kultur und das Landschaftsbild? Was sind die Herausforderungen für die Zukunft, um den Erhalt der alten Höfe zu garantieren?
MR: Es ist von größter Bedeutung, den Hofbesitzern alle erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um ihre Höfe zu erhalten, zu sanieren und gegebenenfalls durch hochwertige zeitgenössische Gebäude zu erweitern. Der Abriss historischer Höfe und ihr Ersatz durch Neubauten führt dazu, dass der Großteil der Proportionen, der verwendeten Materialien, der landschaftlichen Integration, der Zwischenräume, der Fassaden und der Hofarchitektur zerstört und missachtet werden. Dies hat zur Folge, dass ein erheblicher Verlust an Kultur, Geschichte und der Verbindung zu ihrer Umgebung entsteht.

BS: Können Sie einige alte Bauernhöfe in Südtirol aufzeigen, die man besichtigen kann?
MR: Zum Glück gibt es immer noch viele gut erhaltene und vorbildlich sanierte Höfe in Südtirol, die vielfältige Funktionen erfüllen. Einige dienen als Gasthöfe, Museen oder Bauernhöfe, die als Buschenschank oder Törggelstuben bekannt sind. Viele bieten Ab-Hof-Verkauf, Übernachtungsmöglichkeiten oder einfach die Gelegenheit, vorbeizuschlendern und mit den Bäuerinnen und Bauern in Kontakt zu treten. Einige Beispiele sind der Finailhof und der Marchegghof in Schnals, der Oberfinserhof in Lajen, der Johannserhof in Klausen, das Museum Sarntal Rohrerhof, der Fiechterhof im Sarntal, das Museum Tramin Hoamet, die Laubenhäuser in Neumarkt, der Hof Unternberg in Fennberg, Margreid, der Hofbauer in St. Georgen und die historischen Ortskerne im Unterland und Überetsch, in denen viele Hofstellen eng im Ortskern miteinander verbunden sind.
Aber das sind nur wenige Beispiele einer glücklicherweise noch großen Vielfalt in Südtirol. Am besten ist, man wandert mit offenen Augen durch die Landschaft, dabei kann man noch immer viele Kleinode bäuerlicher Architektur entdecken.

Wir bedanken uns bei Frau Roner und beim Heimatpflegeverband für das Interview und wünschen weiterhin gutes Gelingen!

Copyright Bild: Marcheggerhof
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