Die kleinste Stadt Südtirols als Anziehungspunkt für aufstrebende Kreative
Glurns ist klein, sehr klein. Selbstbewusst war das 900-Einwohner-Städtchen im Vinschgau allerdings schon immer. Glurns weiß, dass Größe und Bedeutung nicht zusammengehören müssen. Das war im Mittelalter so, als Glurns ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Dreiländereck Italien – Österreich – Schweiz war. Und ist heute nicht anders: Nur ist aus dem Verkehrsknotenpunkt mittlerweile ein kleiner, aber feiner Kunstpunkt geworden.
Wer in die Stadt Glurns fährt, wird zunächst vor allem von der Atmosphäre begeistert sein. Historische Laubengänge, Gassen und die vollständig erhaltene Stadtmauer samt Wehrtürmen – der Geist vergangener Jahrhunderte ist noch überall spürbar. Dennoch sind es nicht nur die Relikte des Mittelalters, die der Stadt ihren einzigartigen Charme verleihen. In den letzten Jahren haben sich Stadtregierung und -Vermarkter daran gesetzt, Glurns in eine Stadt mit einer jungen und lebendigen Kunstszene zu verwandeln und haben dafür die Kreativen einfach mal machen lassen.
Ein Blick ins Innere des GAP.
Genauer gesagt, war es eine Revitalisierung, schließlich stammt unter anderem der 2009 verstorbene Künstler Paul Flora von dort, der weit über Südtirol hinaus Bekanntheit erlangte. Unweit von seinem Geburtshaus entfernt, im „Glurns Art Point (GAP)“, residieren heute aufstrebende Künstler – aus Südtirol und der ganzen Welt. Die Künstlerresidenz im Ortskern gilt als Inbegriff der jungen Kunstszene des Landes und ist in dieser Form europaweit einzigartig. Grund genug für ein kurzes Interview mit den Gründungsmitgliedern Andreas Tappeiner, Julia Frank, Simon Troger, Harald Punter und Angelika Ziernheld.
Worum geht es beim GAP?
Das GAP ist in erster Linie ein Ort des Austauschs und der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Künstlern und Kunstformen. Bei uns kann sich jeder um einen Platz in der Residenz bewerben, egal ob Bildhauer, Maler, Grafiker, Zeichner, Fotograf, Filmer, Performance-Künstler, Multimedia-Artist, Designer, Schriftsteller usw. Das GAP ist offen für alle Disziplinen der zeitgenössischen Kunst und ist Freiraum für künstlerisches Schaffen, Experimentieren und Erleben in einer einmaligen Natur- und Kulturlandschaft.
Ist das GAP eine Art Künstler-WG?
Vom Prinzip her ja. Im Untergeschoß steht ein großes Studio bzw. ein Arbeitsraum, ein Ausstellungsraum sowie eine Küche zur Verfügung; in der oberen Etage befinden sich eine ruhige Sitzecke und 2 Schlafräume für jeweils 2–3 Personen. Die Künstler arbeiten also nicht nur an ihren Projekten bzw. an gemeinsamen Projekten, sondern leben dort. Wir bezeichnen die Residemz deshalb auch gerne als Rückzugsort – das kann für einige Wochen sein, aber auch einen ganzen Sommer lang. Mit eingebunden sind letztlich auch die zahlreichen einheimischen Betriebe, bei denen die verschiedenen Materialien und Baustoffe für das künstlerische Arbeiten erworben werden können.
Müssen die Künstler in ihrer Zeit im GAP produktiv sein?
Aufstrebenden Künstlern geben wir die Möglichkeit, intensiv an Projekten und Ideen zu arbeiten, diese zu entwickeln, zu erproben und, so gewollt, im Rahmen einer Ausstellung zu präsentieren. Das heißt, sie können, aber sie müssen nicht. Den Leistungsdruck wollen wir bewusst von den Künstlern fernhalten. Das unterscheidet unsere Residenz von sehr vielen anderen Einrichtungen in Europa.
Obwohl – oder gerade weil - es keinen Leistungsdruck gibt, ist der Output der Künstler teils hochinteressant. Inwiefern sind Besucher im GAP willkommen?
Man kann uns während unserer Öffnungszeiten am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonntag von 17 bis 19 Uhr und Samstag von 15 bis 19 Uhr besuchen. Der Kurator erklärt dabei alle laufenden Arbeiten und Projekte und stellt das weitere Programm vor.
Was habt ihr diesen Sommer noch alles geplant?
Bis Ende August 2015 wird der Kurator Davide Bevilacqua im GAP gemeinsam mit italienischen und internationalen Künstlern den Zusammenhang von Dialog und Digitalem im Zeitalter des Internets erforschen. Die Projekte behandeln die verschiedenen Facetten der Hauptthematik: Online-Beziehungen durch Medien wie Chat oder E-Mail, soziale Netzwerke und ihre Darstellung des alltägliches Lebens sowie Dialoge zwischen virtuellen Entitäten und der freie Austausch von digitalen Dateien und Informationen. Unser GAP-Jahr endet im September mit einer Fotoausstellung mit dem Titel „Fotografische Entdeckungsreise durch Glurns“.
