How to... Watten!

Das Lieblingskartenspiel der Südtiroler

Watten? Watten dat?“. Die Rede ist vom beliebtesten Kartenspiel Südtirols. Wie die Japaner ihre Sushi-Messer, so wetzen die Südtiroler regelmäßig die Spielkarten, wie die Franzosen ihre Boule-Kugel, so werfen die Südtiroler ihr Blatt. Und genau dabei wollen wir ihnen nun einmal genauer in die Karten schauen.

Eine Reise ins Herz Südtirols

Im Frühjahr dieses Jahres kam es für meine Biografie zu einem wichtigen Ereignis: Ich lernte Watten und bin seitdem Teil des Spiels um Herz, Blatt, Eichel und Schell. Bis dahin hatte ich nur ehrfürchtig und ehrlich gesagt auch etwas ratlos daneben gestanden, wenn sich zu jeder denkbaren Gelegenheit plötzlich vier Leute formierten und „auf an Watter!“ zusammensetzten. Aber jetzt bin ich mit dabei beim Watter unterm Gipfelkreuz, im Gasthaus, unter der Schulbank und auf der Alm. Watten ist ein Kulturgut, bei dem sich die Spieler und Spielerinnen in ein Gemisch aus Kartenglück, eiskaltem Taktieren, Gespür für Gegner und Partner und jahrelange Erfahrung stürzen.

Watten ist nicht das einzige Kartenspiel, das in Südtirol mit dem Salzburger Blatt gespielt wird - aber sicher das Beliebteste! Gewattet wird zu viert und in Zweierteams. Jeder Spieler bekommt jeweils fünf Karten aus einem Blatt zu 33 Spielkarten. Auch die Österreicher, Bayern und Schweizer spielen es, und es gibt zahlreiche Versionen der Spielregeln. Nicht umsonst musste schon manches Schülerheim um des lieben Friedens willen in den Hausregeln eine Variante für Spiele im Heim festlegen.

„Hebsch oder geasch“? Regelwerk und Wattvokabular

Schenken Sie sich ein Glasl Vernatsch ein, denn jetzt geht es mit Ihrem Crashkurs für Wattregeln los! Zunächst werden jedem Spieler fünf Karten ausgeteilt und dann wird „angesagt“. Jetzt sagt der Spieler nach dem Austeiler den „Schlag“, also den Zahlen- oder Bildwert an, und der Austeiler bestimmt mit Blick auf sein Blatt den „Trumpf“, also die Farbe. Dieser Wert und diese Farbe „gehen“ in dieser Partie, das heißt, dass diese den Wert aller anderen Karten bestimmen. Ganz einfach, Farbe ist Trumpf, Wert ist Schlag und wer die Runde gewinnt macht den Stich! Klingt kompliziert? Ist es zugegeben manchmal auch. Machen Sie sich aber keine Sorgen um die Begrifflichkeiten, denn wer sich einmal auf einen Watter einlässt, dem gehen die Bedeutungen schnell ins Blut. Wenn Team A in der ersten Partie drei Stiche macht, gibt es dafür zwei Punkte. Jetzt muss Runde für Runde gestochen werden, bis eines der Teams die in der Regel achtzehn Punkte erreicht.

Die „Guate“ im Ärmel

Für die Spielernatur in Ihnen klären wir noch ein paar essenzielle Begriffe: „Guater“ und „Rechter“. Die sogenannte „Guate“ ist die beste Karte in der Runde, sie trägt die angesagte Farbe und den angesagten Wert plus eins. Die „Rechte“ bezeichnet die Karte mit der angesagten Farbe und dem angesagten Wert, es ist die zweitbeste Karte im Spiel. Der mitunter größte Reiz aber entsteht durch das „Bieten“. Üblicherweise bekommt das Team, das die Runde gewinnt, zwei Punkte – beide Teams dürfen aber während der Runde „drei bieten“. Entscheidet sich Team B zu „halten“ und damit weiter zu spielen, wird um drei Punkte gespielt, wenn es jedoch „geht“, gewinnt Team A automatisch mit zwei Punkten die Runde. Der Reiz? Hier kann tüchtig geblufft werden, und wenn die Südtirolerinnen und Südtiroler eines sind, dann tüchtig.

Die Begeisterung macht das Spiel

Die Entstehung des Wattens lässt sich nicht einwandfrei bestimmen, doch der Name soll auf italienische Eisenbahnarbeiter zurückgehen, die ihn in Form des italienischen „battere“ (schlagen) Mitte des 19. Jahrhunderts nach Südtirol gebracht haben. Dabei ist das Spiel selbst alles andere als Geschichte. Es ist sogar so sehr im 21. Jahrhundert angekommen, dass man auf der Website watten.org einen virtuellen Gasthaustisch findet, an dem man sich jederzeit online zum Spielen treffen kann. Deshalb sei allen, die Südtirol näher kennenlernen wollen, angeraten, einmal selbst einen Watter zu wagen… oder gleich zwei oder drei! Denn ganz nach dem Motto „learning by doing“ geht der Watt-Jargon tatsächlich wie von selbst über die Lippen, nachdem man einmal ein paar erfolgreiche „Rechte“ ausgespielt hat. Einfach ausprobieren und fest mitdenken, wenn die Mitspieler diskutiern, wie die Runde denn ausgegangen wäre, wenn... Während nämlich in manchen eingefleischten Watter-Kreisen „gespielt und nicht diskutiert wird“, ist in anderen das Ausdiskutieren und Nachkonstruieren von Kartenkombinationen und Ausgangsmöglichkeiten ein geliebter und unentbehrlicher Teil des Spiels.

Ob das Watten nun Landesspiel oder doch Landessport ist, sei dahingestellt, aber klar ist: die Alpenregion Südtirol ohne das Watten, das gibt es nicht. Und wenn es in seiner Wesensart irgendwie zusammengefasst werden kann, dann treffen es wohl die folgenden drei Begriffe ganz gut: Teamplay, Spaß und ganz viel Leidenschaft.

Foto: © Anna Maria Parteli, IDM Südtirol/Marion Lafogler, Video: IDM Südtirol
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Anna Maria studiert in Salzburg, lebt und schreibt aber größtenteils in Südtirol. Sie macht gern Musik, singt im Südtiroler Landesjugendchor, liebt die Facetten der Südtiroler Mundart und italienischen Kaffee.

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