„Kathedrale des Weines"

Eröffnungsfeier der neuen Kellerei Bozen

In Sachen Wein macht Südtirol so schnell niemand etwas vor. In wenigen Jahrzehnten gelang der vergleichsweise kleinen Weinregion der Aufstieg vom Massen- zum Qualitätsproduzenten. Obwohl Südtirol weniger als 1 Prozent der Weinmenge Italiens herstellt, heimst es alljährlich Top-Bewertungen von italienischen und internationalen Weinführern ein. Die größte Stärke Südtirols ist die Breite: Es ist nicht leicht, einen schlechten Südtiroler Wein zu trinken. So hoch ist die Dichte an guten Weinen. Für die einzelnen Produzenten heißt das jedoch, dass die Qualität im Glas als einziges Kriterium, sich zu unterscheiden, häufig nicht ausreicht. Das Qualitätsstreben drücken immer mehr auch in Form ihres Kellereigebäudes aus. Damit sagen sie: „Seht her, wir sind überall gut und tragen diese Überzeugung selbstbewusst nach außen.“ So sind in Südtirol im Laufe der letzten Jahre eine Reihe von neuen Kellereigebäuden entstanden, die architektonisch imposant sind.

Jüngstes Beispiel der „Outfit-Offensive“ ist der neue Sitz der Kellerei Bozen, Südtirols zweitgrößter Kellerei mit einer Jahresproduktion von rund 3 Millionen Flaschen, darunter einige der größten Rotweine Südtirols wie der Lagrein „Taber“. Bei der offiziellen Eröffnung Anfang April vor rund 500 geladenen Gästen bezeichnete Bischof Ivo Muser den Neubau im Stadtteil Moritzing eine „Kathedrale des Weines“ – ein Vergleich, der durchaus seine Berechtigung hat, wenn man einen Blick auf und in den Sitz wirft.

Doch der Reihe nach: Der Neubau wurde so gestaltet, dass er sich durch seine längliche Form optimal eingliedert in das bestehende Landschaftsbild und doch Wahrzeichen-Charakter besitzt. Von außen ist nur das Verwaltungsgebäude voll sichtbar, das mit seiner Fassade in Form eines stilisierten Rebenblattes aus bronzefarbenem, gelochtem Aluminiumblech einen besonderen Blickfang darstellt. Wichtiger noch als die Fassade sind die inneren Werte, von denen wir uns am Eröffnungstag sozusagen im Schnell-Verfahren persönlich ein Bild machen durften. Highlight und Alleinstellungsmerkmal ist dabei ganz klar die Produktion, die vertikal verläuft: Angeliefert werden die Trauben von den 224 Mitgliedern der Kellerei (überwiegend kleine Weinbauern aus Bozen und Umgebung) an die höchste Stelle des Gebäudes. Danach gleiten sie mithilfe der Schwerkraft „im freien Fall“ etappenweise weiter bis hin zur Lagerung im Keller. Wir erfahren vom Kellermeister Stephan Filippi: „Weniger mechanische Einwirkungen führen zu mehr Qualität. Durch den Ausbau in den vielen Tanks und Behältern können wir zudem die Eigenheiten von Sorten und Terroir noch besser herausarbeiten.“ Dass dies tatsächlich so ist, konnten wir vor Ort anhand der ersten Weine vom neuen Standort selbst erleben. Alle weiteren Weine der neuen Kellerei werden erst nach und nach auf den Markt gebracht, die „Riserva“-Editionen ohnehin erst später.

Beeindruckend ist in jedem Fall die „grüne“ Seite des Baus: Die neue Kellerei Bozen ist nach strengen Klimahaus-Standards erbaut worden und trägt als einzige Genossenschaft Italiens das Klimahaus-Wine-Siegel. Das heißt, dass die Kellerei Bozen besonders auf einen sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen achtet. Ein Beispiel: Vor Ort wird die stabile Bodentemperatur des Hanges genutzt, um die unterirdischen Räumlichkeiten auf natürliche Weise zu kühlen. Das spart Energie und schont die Umwelt. Insgesamt gibt die Kellerei Bozen mit dem Neubau ein mutiges Statement ab – für Qualität und Nachhaltigkeit.

Neugierig geworden? Also ich schon. Für mich steht fest, dass ich meine Entdeckungsreise fortsetzen werde – und zwar in Form einer ausgedehnten Führung, die die Kellerei ab sofort und auf Anfrage anbietet. Letzte Station – so sagt man mir - wird der Besuch des neuen Wein-Shops „Vinarius“ sein, der natürlich auch ohne Führung täglich außer sonntags zugänglich ist.

Bildrechte: © Kellerei Bozen
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Rainer Hilpold ist gebürtiger Meraner; nicht unbedingt ein Mann der vielen und großen, sondern eher der wenigen, dafür treffenden Worte. Berg-See, Stadt-Land, Mediterran-Alpenländisch, Outdoor-Indoor? „Zum Glück muss man sich als Südtiroler nicht festlegen. Nur eines darf niemals fehlen: der Genuss.“

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