Nicht Fasching, Maschggra!

”Perkeos Maschggra“ in Salurn ist gelebte Tradition

Immer dann, wenn der Kalender ein gerades Jahr schreibt, ist es soweit und im letzten Dorf in Südtirols Süden, wird die Narrenzeit eingeleitet. Wie ein Spuk zieht die Maschggra dann über Salurn und lässt ein ganzes Dorf vom Tag nach Dreikönig bis zum Faschingsdienstag Kopf stehen. Die Herrschaft haben dann nicht mehr der Bürgermeister und die Dorfbewohner, sondern der Knopfmacher Perkeo und sein Gefolge aus Comtesschen, dem Mundschenk und den Leibärzten, dem Orschoputzer und der Zofe, dazu Kohlenbrenner („Karbonari“), Waschweiber, Schwarzbrenner, Fischer, Wilderer, Zigeuner und „Cembrane“. Ein normaler Fasching ist der in Salurn jedoch keineswegs und genau deshalb sollte man sich ”Perkeos Maschggra“ auch nicht entgehen lassen, meint Dr. Klara Trinenthal, eine der Leibärzte des namensgebenden Perkeo.

Martina, du bist in der Narrenzeit Frau Dr. Klara Trinenthal. Was ist deine Aufgabe?

Frau Dr. Trinenthal ist eine der Leibärzte des Knopfmachers Perkeo, der 1702 in Salurn geboren und später erst zum Hofnarr, dann zum Mundschenk des Heidelberger Kurfürsten Karl III. Philipp wurde. Er war für seine Trinkfestigkeit bekannt und wurde deshalb zum Wächter des Großen Fasses im Heidelberger Schloss. Außer Wein soll der gute Perkeo nicht viel getrunken haben, davon aber ganze 30 Liter am Tag. Das lag jedoch an nichts anderem als an seiner Krankheit ”Diabetes insipidus“. Als ihm ein Arzt geraten habe, auch einmal Wasser zu trinken, tat er das und starb am folgenden Tag. Jedes zweite Jahr kehrt der kleinwüchsige Perkeo zur Narrenzeit nun in seine Heimat Salurn zurück, um dort eine Woche lang die Herrschaft zu übernehmen.

Ihr stellt in eurem Maschggra-Umzug also Perkeos Geschichte dar. Wie kam es dazu?

Das Südtiroler Unterland ist bekannt für seine Fasnachtstradition. Besonders der Traminer Egetmann-Umzug ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Doch auch in Salurn geht der Faschingsbrauch bis ins 18. Jahrhundert zurück. Nach den 1940er Jahren verlor sich die Tradition jedoch und erst 2009 hatten einige von uns die Idee, einen neuen Umzug im Stil einer traditionellen Unterlandler Maschggra zu veranstalten. Aus einem Schwur unter vier Freunden wurde so bald schon ein Umzug mit 400 Teilnehmern und 20 Wagen, den wir heuer bereits zum fünften Mal veranstalten.

Was ist Maschggra eigentlich?

Die ursprüngliche Maschggra im Südtiroler Süden waren wilde Tage. Diese eine Woche im Jahr war nicht für Frauen und Kinder gedacht, sondern ausschließlich für die Männer, um vor dem Fasten noch einmal dem strengen Alltagszustand unter der Herrschaft und den Gesetzen von Kirche und Obrigkeit zu entkommen und die ”Sau rauszulassen“. Heute ist es ein ausgelassenes Treiben, immer wild und herzlich. Und weil die ganze Maschggra auf Tradition aufgebaut ist, geht es uns nicht nur um das Feiern, sondern natürlich auch um die Erhaltung, die Pflege und das Wiederaufwecken dieses alten Brauchtums.

 

Wo kann man diese Traditionen dann beispielsweise sehen?

Wir tragen nicht nur originale Kleidung aus der Zeit, sondern leben auch Rituale aus der ursprünglichen Maschggra nach. Es gibt eine traditionelle Bauernwirtschaft mit dem Pflug, der Pflug ist ein altes Maschggrasymbol. So wird am Faschingsdienstag beispielsweise eine Strohpuppe verbrannt, um den Winter auszutreiben und den Frühling einzuleiten.

 

Und was ist Maschggra für dich?

Wir haben alle einen ernsthaften Beruf und ein hektisches Leben. Oft gibt es einen Moment, in dem man gerne ausbrechen möchte aus den ganzen Regeln, die der Alltag so mit sich bringt. Als Dr. Klara Trinenthal kann ich mich eine Woche im Jahr gehen lassen und Späße treiben. Außerdem bin ich Unterstützerin der Gruppenzugehörigkeit und finde, dass diese in der heutigen, individualisierten Welt noch einmal wichtiger ist. So gibt es ”Perkeos Maschggra“ nur, weil jeder seine Fähigkeit in den Verein miteinbringt.

 

Wie läuft die Maschggra-Zeit ab?

Wir leben vom 7. Jänner bis am Faschingsdienstag um Mitternacht mit der Figur, die wir verkörpern. Wenn wir uns treffen, bin ich nicht die Martina, sondern die Klara. Spätestens am Faschingsdienstag innerhalb Mitternacht muss man die Maske jedoch wieder vom Gesicht gewaschen haben, sonst bleibt sie ein Jahr lang auf dem Gesicht kleben. Dann hört der Spuk auf und man spricht sich wieder mit dem normalen Namen an.

 

Warum sollte man einen solchen Umzug miterleben?

Wir hatten schon Leute aus Spanien, England, Irland oder Deutschland hier. Die waren alle baff, weil sie so etwas noch nie gesehen hatten. Wenn man sich von dem Treiben treiben lässt, verlässt man Salurn bestimmt mit einem offenen Herzen. Die Zusammengehörigkeit zur Maschggrazeit ist unglaublich, da gehört jeder dazu! Der Perkeo lebe hoch! Hoch! Hoch!

Am Unsinnigen Donnerstag kehrt Perkeo wieder aus Heidelberg zurück in seine Heimat Salurn. Dort sperrt er den Bürgermeister ein, der ihm dann den Schlüssel zum Dorf übergibt. Es folgen fünf Tage ausgelassenes Treiben, in denen Perkeo über das Dorf herrscht. Dies verkündet er bei einer Kutschfahrt durch das gesamte Unterland und lädt zum großen Umzug am Samstag, den 6. Februar. Am Faschingsdienstag gibt Perkeo den Schlüssel wieder ab und kehrt zurück nach Heidelberg.

Bildrechte: © Udo Giacomozzi
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Lisa ist die Quasselstrippe, die nur ein leeres Blatt Papier zum Schweigen bringt. Alles andere als bewegungsfaul liebt sie den bunten Mix, den sie ihr Leben nennt. Zwischen Kinderbüchern, E-Mail-Fächern, buntem Gemüse und ihrer roten Yogamatte wundert sie sich manchmal selbst wie viele Stunden ein Tag eigentlich haben kann.

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