Sattelfest

Eine Reise durch Südtirol auf zwei Rädern

Schon mal daran gedacht, für ein paar Tage so richtig eins mit der Natur zu werden? Die eigene Kondition auf die Probe zu stellen? Und echte Erfolgsgefühle zu verspüren? Dann habe ich den perfekten Tipp für euch: eine Rundreise durchs schöne Südtirol mit dem Fahrrad! Gönnt eurem Auto oder Motorrad auch mal Urlaub und entdeckt die vielfältige Berg- und Tallandschaft auf eigene Faust mit eurem Bike. Ich hab’s schon mal ausprobiert und nehme euch gern mit auf meiner Reise.
 

Hi, mein Name ist Judith.
Ich bin waschechte Südtirolerin und komme aus dem Passeiertal. Vieles habe ich schon von Südtirol gesehen, aber wie schon Goethe einst sagte: „Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“. Gemeinsam mit meinen Eltern wollte ich Südtirol mit Aufmerksamkeit, Bedacht und ohne Hektik erkunden. Uns aufs Fahrrad zu schwingen und unseren Plan umzusetzen erschien uns die passende Art und Weise. Um nicht die ganze Zeit in die Pedale zu treten und den Hintern ein wenig zu schonen, haben wir uns vom ausgebauten Zug- und Busnetz in Südtirol aushelfen lassen. Na dann, los geht’s …
   

Tag 1 – von St. Leonhard in Passeier nach Olang im Pustertal

Der Wecker klingelt. Es ist 6 Uhr morgens. Alles ist schon gepackt und die Vorfreude groß. Ausgerüstet mit unseren Rucksäcken und Rahmentaschen radeln wir also von meinem Elternhaus bis zur Bushaltestelle, die sich im Dorfzentrum von St. Leonhard befindet, wo schon der Bus Richtung Jaufenpass auf uns wartet. Das Rad gut verstaut, lehnen wir uns zurück und fahren gemütlich auf den nördlichsten inner-italienischen Alpenpass, der im Süden von den Sarntaler Alpen und im Norden von den Ötztaler Alpen umgeben ist. Oben angekommen geht es nun auf zwei Rädern rund 1.100 Höhenmeter den Jaufen runter. Dabei genießen wir die großartige Aussicht auf die weite Bergwelt, das leuchtende Grün der Wiesen und die frische Alpenluft. Die Strecke ist landschaftlich sehr abwechslungsreich. Kein Wunder, dass sie vor allem bei Motorrad- und Fahrradfahrern sehr beliebt ist. In Sterzing, der alten Fuggerstadt, angekommen, geht es mit ein wenig schmerzenden Händen vom ständigen Bremsen auch gleich über den Radweg Richtung Süden weiter. Dabei verläuft die Route über eine Seitenstraße und einen Feldweg bis nach Grasstein. Die teils sanften und teils steileren Anstiege führen durch Wiesen, Felder und Wälder und am Eisack entlang. Jetzt radeln wir durch das beschauliche Dorf Mittewald und weiter die Straße bis nach Franzensfeste entlang. Dort steigen wir in den Zug und können uns bis Innichen 1,5 h erholen. Das war schon mal ein guter Start!

Raue Felsen, urige Wälder und die ausgedehnten Wiesen des Pustertals ziehen an mir vorbei. Wir freuen uns schon auf die Mittagspause, die wir in Innichen, einer kleinen Gemeinde mit städtischem Flair und der belebten Fußgängerzone, machen werden. Nach der verdienten Stärkung radeln wir über den gut ausgebauten Radweg „Pusterbike“ (der Innichen mit Bruneck verbindet) über Toblach, wo der Weg etwas ansteigt und bei Niederdorf wieder abflacht, nach Olang. Nach rund 55 Radkilometern an unserem ersten Tag, fallen wir in einem Olanger Hotel ins Bett und freuen uns schon auf den nächsten, bestimmt abenteuerlichen Tag.
   

Tag 2 – von Olang im Pustertal nach Brixen im Eisacktal

Direkt am nächsten Morgen geht es für uns weiter auf unserer Südtirol-Reise. Unser heutiges Ziel: Brixen. Es warten gut 45 Radkilometer auf uns, dieses Mal ohne Zug und Bus. Die Luft ist glasklar und die ersten Sonnenstrahlen schimmern hinter den Gipfeln hervor, der perfekte Start in den Tag. Für uns geht es zunächst durch die malerischen Dörfer entlang des Pusterer Radwegs in die wildromantische Rienz-Schlucht vor Bruneck. In Bruneck angekommen, gönnen wir uns einen cremigen Cappuccino und schauen den Menschen zu, wie sie eifrig ihren Erledigungen nachgehen. Auch wir schwingen uns nun wieder in den Sattel und fahren durch das untere Pustertal, vorbei an der Ehrenburg und den Ruinen der Mühlbacher Klause. Dann passieren wir den Vahrner See und radeln ins Eisacktal, bis wir die Bischofsstadt Brixen erreichen. Hier, in dieser historischen, und doch lebendigen Stadt verbringen wir die Nacht und genießen bei einem erfrischenden Aperitivo den abendlichen Charme, der die Gebäude und Restaurants wie ein seidener Mantel umgibt.
   

Tag 3 – von Brixen im Eisacktal nach Laas im Vinschgau

Frisch und munter machen wir uns auf zur heutigen Etappe. Von Brixen fahren wir am Fluss Eisack entlang Richtung Süden nach Klausen. Hier ist das Tal noch relativ breit. Wir kommen an süß duftenden Apfelbäumen und Weinreben am sonnigen Westhang vorbei. Einfach herrlich! Im mittelalterlichen Städtchen Klausen, überragt von Kloster Säben und Schloss Branzoll, gibt es erstmal was zu essen. Nach einem warmen Apfelstrudel mit Vanillesauce geht das Abenteuer für uns weiter, und zwar in die quirlige Landeshauptstadt. Auf dem Weg nach Bozen radeln wir über Waidbruck, wo das Tal dann etwas enger wird. Ab Kollmann kommen wir auf die ehemalige Bahnstrecke bis nach Blumau. Hier beginnt die „Augenreise“ – Kunstwerke, Installationen und Malereien begleiten uns entlang des Radweges über Kardaun bis nach Bozen. Das Tal wird wieder breiter und wir befinden uns nun in einer wundervollen Weinlandschaft von St. Magdalena.

 
 

Jetzt kommt meine Lieblingsstrecke, nämlich die nach Meran. Der Etschradweg, ein Teilstück der Claudia-Augusta-Radroute, ist ein feiner asphaltierter Weg. An manchen Stellen etwas sonniger und an manchen etwas schattiger. Aber das wirklich Herrliche daran: rechts von uns der freie Blick auf die grünen Apfelwiesen und links rauscht der Fluss Etsch an uns vorbei und sorgt ab und an für die nötige Erfrischung. Mit Schweißperlen auf der Stirn steigen wir erleichtert in den Zug und lassen uns nach Mals im oberen Vinschgau chauffieren. Auch vom Zug aus hat man eine tolle Sicht auf die Landschaft und kann sich gar nicht sattsehen von den ganzen Eindrücken.

In Mals angekommen, treten wir wieder fleißig in die Pedale bis nach Laas, das einzigartige Marmor-Dorf. Am Bahnhof nehmen wir die Straße nach Glurns, die leicht abwärts verläuft. Kaum sind wir aus dem Stadttor herausgefahren, biegen wir links auf den Radweg entlang der Etsch ab, der uns südlich von Schluderns in die Prader Sand führt. Dabei handelt es sich um eine geschützte Flussau, in der bedrohte Vogelarten und Wassertiere ein Rückzugsgebiet gefunden haben. Im Hintergrund sieht man die echt beeindruckenden weißen Spitzen des Ortlermassivs. Nach gut 90 Radkilometern, 280 Höhenmeter nach oben und 710 nach unten, haben wir den längsten Radtag hinter uns – umso mehr freuen wir uns auf die leckeren Kreationen aus der Vinschger Marille am Abend.

 
 

Tag 4 – von Laas im Vinschgau nach St. Leonhard in Passeier

Der letzte Tag steht an. Ein komisches, aber auch überwältigendes Gefühl, zu wissen, dass man nun fast am Ende seiner Reise angelangt ist und eigentlich gar nicht mehr aufhören möchte, die verschiedenen Facetten der Natur zu entdecken. Aber gleichzeitig freuen wir uns auch schon auf unser Zuhause. Also los! Am letzten Tag geht es erstmal wieder nach Meran, entlang eines verwilderten Abschnitts der Etsch, bis wir Schlanders erreichen: das Dorf, welches als Hauptort des Vinschgaus gilt. Weiter geht’s nach Latsch am Eingang des Martelltales, wo wir immer gerne frische Erdbeeren und Marillen mitnehmen. Da der Radweg hier direkt durch den Ort führt, ist ein Blick in den Dorfkern obligatorisch, wie ich finde. In Kastelbell gönnen wir uns eine Verschnaufpause. Hier beginnt dann der wärmere Teil des Vinschgaus – mit den ersten Weingütern. Während wir am Radweg entlangfahren, türmt sich das Schloss Kastelbell neben uns auf. Zeit für einen kleinen Schnappschuss! Einige Kilometer weiter, nach der Abzweigung ins Schnalstal, kommen wir nach Naturns, und damit sind wir schon im Meraner Land, was sich auch an den Temperaturen bemerkbar macht. Wir kommen an Plaus und Partschins vorbei, dann geht es in der Töll nach links und dort über Algund über eine tolle Abfahrt in die Kurstadt Meran. Besonders schön an der Vinschgau-Tour ist die vielfältige Landschaft, einerseits mit den satten Nordhängen von Ortler und Nörderberg und im Gegensatz dazu die kahlen, trockenen Wände des Sonnenbergs. Nach den heutigen 40 Radkilometern fahren wir mit dem Bus dann zurück nach St. Leonhard.
   

Nach insgesamt rund 230 geradelten Kilometern bleibt uns jetzt nur noch der Heimweg, den wir mit einem Lächeln im Gesicht und vielen tollen Eindrücken im Gepäck entlangradeln. Eine besondere Rundreise durch Südtirol, egal ob Sommer, Herbst oder Frühling – es gibt immer etwas Neues zu entdecken!

Foto: ©IDM Südtirol-Alto Adige/Alex Filz, IDM Südtirol-Alto Adige/Frieder Blickle, Judith Egger-Karlegger, IDM Südtirol-STA/Manuela Tessaro
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Die waschechte Passeirerin hat ihre Wurzeln tief in Südtirol und ihre Flügel in der Welt. Die Welt zu erkunden, bedeutet für sie auch ihre Heimat in all ihren Facetten kennenzulernen. So trifft man Judith sowohl auf dem Berg, im Tal und am See als auch in der Stadt. Denn nichts soll unentdeckt bleiben. Die Vielfalt der Kultur, der Natur, der Sprachen und Dialekte verleihen jedem noch so kleinen Örtchen seinen ganz eigenen Charme. Und den genießt sie am liebsten bei einem guten Glas Wein und leckerem Essen.

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