Traditionen zum Anziehen

Auf den Spuren der Südtiroler Volksmode und des alten Kunsthandwerks

Verschiedene Kulturen zu entdecken ist immer etwas Spannendes. Denn jede Kultur hat ihre Besonderheiten, die sie einzigartig machen. So auch in Südtirol. Hier leben noch altüberlieferte Bräuche und jahrhundertealte Handwerkstechniken weiter, die es sich lohnt auszugraben. Einige davon stellen wir Ihnen hier vor.    

Die Tracht

Egal ob auf Volksfesten, bei Auftritten der Musikkapelle oder der Schützen, Familienfeiern oder Hochzeiten – bei besonderen Anlässen darf sie bei uns einfach nicht fehlen, die traditionelle Südtiroler Tracht.  

  links: Trachtengruppe aus Latzfons, rechts: Psairer Frauentracht, Psairer Bäuerische Südtiroler Bäuerinnenorganisation / Inser beschtes G'wond   Doch eigentlich gibt es die eine Südtiroler Tracht gar nicht. Denn jedes Tal, ja sogar fast jeder Ort hat seine eigene, die sich in Farbe, Modell, Stoff und am Schmuck voneinander unterscheidet. So kann es leicht passieren, dass Sie während Ihres Südtirol Urlaubs im Rahmen von besonderen Festlichkeiten auf Frauen mit bunten Röcken, feingearbeiteten Schürzen sowie üppig verzierten Hüten und auf Männer mit Lederhosen, weißen Stutzen (Kniestrümpfen), Lodenjacken und „Fatschn“ treffen. Letzteres ist der breite Ledergürtel, der oft mit traditionellen Federkielstickereien verziert ist.

Obwohl die Trachten in Südtirol so unterschiedlich sind, haben sie doch alle etwas gemeinsam: In der Tracht stecken echte Handarbeit, hochwertige Materialien, eine tiefe Heimatverbundenheit und eine jahrhundertealte Volkskultur, die von Generation zu Generation gelebt und weitergegeben wird.

Fest steht: Die Südtiroler Tracht gilt seit dem 18. Jahrhundert als wahres Statussymbol und einzigartiges Kulturgut. Wer sie lieber bewundert als kauft, kann dies in den verschiedenen Heimatmuseen des Landes wie im Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim bei Bruneck, im Museum Steinegg oder im Trachtenmuseum Kastelruth tun.  

  links: Rittner Festtagstrachten, rechts: Bozner Festtagstracht Südtiroler Bäuerinnenorganisation / Inser beschtes G'wond  

Federkielstickerei

Das Sarntal ist bekannt für seine wundervolle Naturlandschaft. Aber nicht nur. Was viele nicht wissen: Hier wird seit Jahrhunderten einer ganz besonderen Kunst nachgegangen, der Federkielstickerei. Ein altes Kunsthandwerk, das vor ungefähr 250 Jahren im Alpenraum entstanden ist. Es diente den Bauern und Sattlern früher zwar nur als Nebenerwerb, war aber dennoch von großer Bedeutung. Denn trug man mit Federkielen bestickte Gürtel, so galt man als besonders wohlhabend. Bis heute sind die Stickereien von hohem Wert, weil eine aufwendige und präzise Handarbeit dahintersteckt. So beträgt der durchschnittliche Arbeitsaufwand für die Bestickung eines Trachtengürtels zwischen 100 und 200 Stunden.  

    Doch was ist die Federkielstickerei eigentlich? Dabei wird der Kiel von Pfauenfedern – welche der Pfauenhahn im Sommer verliert, die im Herbst aber wieder nachwachsen – zu kleinen Fäden gespalten und mithilfe einer Ahle, einer Nadel mit Holzhalterung, in das Leder eingearbeitet. So entstehen kunstvolle Ornamente, Blumen- und Tiermotive sowie Namen und Jahreszahlen. Neben Trachtengürteln und Geldtaschen findet man Federkielstickereien heutzutage auch auf Schuhen, Hosenträgern, Hosengürteln, Schlüsselanhängern und Fotoalben. Ein nettes Souvenir aus dem Südtirol-Urlaub also, welches nicht nur schön aussieht, sondern auch eine jahrhundertelange Geschichte in sich trägt.

Übrigens: Heute ist die Federkielstickerei ein anerkannter Beruf, der in Südtirol aber nur mehr von einer Handvoll Betrieben ausgeübt wird, wie im Sarntal, aber auch im Pustertal, in Meran und Brixen.  

   

Filzpantoffel

Sie sind weich, kuschelig und halten die Füße warm. Letzteres war wohl der Hauptgrund, warum Filzpantoffel in den alten, teils sehr kalten Bauernhäusern so beliebt waren. Die filzigen Hausschuhe sind bis heute in vielen Südtiroler Haushalten zu finden. Dabei spielt nicht mehr nur ihre wärmende Funktion eine Rolle, sondern auch ihre Ästhetik.  

    Die typisch traditionellen „Potschen“, wie Hausschuhe hierzulande auch genannt werden, bestehen idealerweise zu 100 % aus reiner Wolle und sind handgearbeitet. Egal ob hinten offen oder geschlossen, klassisch oder mit Stickereien verziert, mit leichtem Absatz oder ohne, extra weich oder doch mit rutschfester Sohle – mittlerweile sind sie in allen Farben und Formen erhältlich.

Filzpantoffel werden in manchen Südtiroler Werkstätten noch in Handarbeit gefertigt: zum Beispiel in Innichen im Hochpustertal. Dort stellt Familie Zacher nach alter Tradition echte Wollfilze und Filzpantoffel her, aber auch aus reiner Schafwolle handgemachte Dekorationen, Sitzkissen und warme Schuheinlagen. Wer in Bruneck, Brixen, Sterzing oder Meran unterwegs ist, sollte auch dem Hutstübele einen Besuch abstatten. Und wer gerade durch das Sarntal spaziert, wird in den Schaufenstern der Geschäfte bestimmt die ein oder anderen Sarner Toppar entdecken. So heißen die Filzpantoffel mit Filzsohle im Sarntal.  

   

Spitzenklöppeln

Unsere Reise auf den Spuren von Südtirols Traditionen führt uns nun hinauf ins Ahrntal, wo sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus der Not vieler Familien ein besonderes Kunsthandwerk etabliert hat. Die damalige Schließung des Kupferbergwerks in Prettau ließ nämlich viele Ahrntaler Familien ohne Arbeit. So kamen die Frauen auf die Idee, das Klöppeln vom Hobby zum Beruf zu machen. Verdient haben sie nach 17 Arbeitsstunden zwar sehr wenig. Trotzdem entwickelte sich das Handwerk weiter, Klöppelvereine wurden gegründet und Ausbildungen immer beliebter.  

    Was einst als eine Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes begann, ist heute ein feines Kunsthandwerk, das noch immer mit Leidenschaft ausgeübt wird.

Bei dieser Handarbeitstechnik werden Fäden aus Leinengarn auf dem Klöppelkissen, dem „Pinggl“ festgesteckt. An den Fadenenden hängen die Klöppel, also spindelförmige Spulen, meist aus Holz. Diese werden durch Kreuzen und Drehen miteinander verflochten, damit daraus ein schönes Muster entsteht. Diese Spitzen werden heute für Trachtenblusen, Messkleider, Tischdecken, Vorhänge, Bettwäsche und Christbaumschmuck verwendet.

Wer live bei einer Klöppelvorführung dabei sein oder mehr über die Geschichte dieses traditionellen Kunsthandwerks erfahren möchte, begibt sich am besten in das Herkunftsgebiet, das Ahrntal. Im Bergbaumuseum Kornkasten in Steinhaus sowie im Naturparkhaus in Kasern finden immer wieder Vorführungen statt. Außerdem sind zahlreiche Spitzen ausgestellt und stehen im Shop auch zum Verkauf.

 

Der blaue Schurz

„Ein Mann ohne Schurz ist nur halb angezogen“ lautet ein altes Südtiroler Sprichwort, über das auch heute noch gelacht wird. Der typische blaue Schurz, bei uns auch Fürtig, Firtig oder Hongor genannt und vor allem von Handwerkern und Bauern getragen, ist aus Südtirol gar nicht mehr wegzudenken. Zu lange schon prägt er das Bild der lokalen Arbeiter. Genauer gesagt seit dem Mittelalter.  

    Damals wurde der Schurz noch aus weißem Leinen gefertigt und sollte die Kleidung vor Schmutz schützen, da es nicht üblich war, mehrere Gewänder zu besitzen. Im 19. Jahrhundert hielt dann die robuste Baumwolle Einzug und ein leuchtendes Blau konnte synthetisch günstig und einfach hergestellt werden. Der blaue Schurz wurde somit zum Symbol des Bauernstandes.

Früher war es Tradition, dass die Buben an ihrem ersten Schultag einen Schurz bekamen. Heute wird er nicht nur beruflich in der Landwirtschaft getragen, sondern auch zu Hause bei Gartenarbeiten, beim Grillfest oder beim traditionellen Törggelen. Nach wie vor wird der blaue Schurz oft selbst geschneidert und mit verschiedensten Stickereien versehen. So sind häufig flotte Sprüche darauf zu lesen, die den einen oder anderen zum Schmunzeln bringen.

Ein Tipp: Diese blauen Schürzen sind auch beliebte Mitbringsel, die es in allen Größen und mit verschiedensten Mustern zu kaufen gibt!

Foto: © SBO_Florian Andergassen, www.suedtirolerland.it, Federkielstickerei Thaler, Alex Filz, Demiahl auf Pixabay
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Die waschechte Passeirerin hat ihre Wurzeln tief in Südtirol und ihre Flügel in der Welt. Die Welt zu erkunden, bedeutet für sie auch ihre Heimat in all ihren Facetten kennenzulernen. So trifft man Judith sowohl auf dem Berg, im Tal und am See als auch in der Stadt. Denn nichts soll unentdeckt bleiben. Die Vielfalt der Kultur, der Natur, der Sprachen und Dialekte verleihen jedem noch so kleinen Örtchen seinen ganz eigenen Charme. Und den genießt sie am liebsten bei einem guten Glas Wein und leckerem Essen.

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